Absage: JOSQUIN 500 – Festtage vom 25.-28.11.2021
Leipzig, 22.11.2021
Ludwig Böhme
Aufgrund der aktuellen sächsischen Bestimmungen zur Eindämmung des Coronavirus werden vom 23.11.-12.12.2021 alle sächsischen Kultureinrichtungen geschlossen, Konzerte und Kulturveranstaltungen sind untersagt. In diesen Zeitraum fallen auch die Festtage JOSQUIN 500, die vom 25.11.-28.11.2021 stattfinden sollten und deren Absage ich heute verkünden muss.
Als Intendant und künstlerischer Leiter der Festtage JOSQUIN 500 und im Namen meines Organisationsteams sowie der Sängerinnen und Sänger des Kammerchores Josquin des Préz möchte ich Stellung beziehen:
Wir anerkennen die Notwendigkeit der Maßnahmen. Die Verbreitung des Coronavirus ist uns allen so nahegekommen wie niemals zuvor. Im Bewusstsein dieser rasant steigenden Verbreitung ist ein gemeinsames, motiviertes Musizieren in den letzten Wochen immer schwieriger geworden. In dieser Infektionslage sind alle Maßnahmen, die zur Senkung der Infiziertenzahl beitragen, zu begrüßen.
In den nächsten Tagen werde ich mit meinem Organisationsteam das weitere Vorgehen beraten und die Konsequenzen für JOSQUIN 500 erarbeiten und kommunizieren. Wir bedauern die Absage sehr.
Zwei Jahre Arbeit stecken in JOSQUIN 500. Bereits Ende 2019 haben wir ein Konzept erarbeitet. Anfang 2020 startete die Vorbereitung: Künstlerinnen und Künstler, Kooperationspartner, Veranstaltungsorte wurden gesucht, angefragt und gefunden, mit ihnen haben wir geplant und entwickelt. Förderanträge wurden geschrieben und eingereicht, Finanzierungen aktualisiert, Mittel beantragt und genehmigt. Wir haben Werbekonzepte diskutiert und beschlossen, das Festival redaktionell und inhaltlich gefüllt und präsentiert. Ticketangebote wurden an begrenzte Platzkapazitäten angepasst, Hygienekonzepte abgestimmt, genehmigt und zuletzt wöchentlich geändert. Hinter jeder einzelnen Konzertkarte, ob verkauft oder nicht, steckt Arbeit. Notenmaterial wurde gekauft oder erstellt, eingerichtet und verteilt. Unzählige E-Mails wurden geschrieben, Fragen beantwortet, kleine und große Herausforderungen gemeistert. Und seit einigen Wochen wird aus Planung endlich Kunst: Proben laufen auf Hochtouren – über 100 Musikerinnen und Musiker – von Studierenden bis hin zu international renommierten Künstlern – haben an den insgesamt ca. fünf Stunden Repertoire geübt. Alles ist vorbereitet – jetzt wollten wir es präsentieren! Stattdessen wird das, für das so viel Vorbereitung nötig ist – die Musik – nun wieder einmal nicht stattfinden können. Organisation und Planung gehen indessen weiter.
So wie uns geht es vielen. Es ist nur ein Beispiel.
Mein Beruf hat sich in den letzten zwei Jahren gewandelt: Früher stand die Musik im Mittelpunkt. Heute dominieren Organisation und Planung. Seit Pandemiebeginn habe ich alle Maßnahmen zur Eindämmung des Virus erfüllt, oft auch übererfüllt. Ich verstehe auch, dass die Auftrittsbedürfnisse von Musikerinnen und Musikern zeitweise zugunsten der Pandemiebekämpfung zurücktreten mussten.
Ich bin jedoch überzeugt, dass wir den de-facto-Lockdown bei einer höheren Impfquote heute nicht hätten. Die Freiheit jedes Einzelnen für oder gegen eine Impfung beeinflusst die Freiheit aller. Nicht der Einzelne, aber die Summe an Nichtgeimpften hat entscheidend dazu beigetragen, dass viele – auch ich – in ihrer Freiheit nun wieder eingeschränkt werden und ihren Beruf nicht ausüben dürfen. Die Politik hat es deutlich an Weitsicht mangeln lassen, diese Situation zu verhindern.
Deshalb sagen wir: Ja, wir müssen jetzt wieder dicht machen. Aber wir sind stinksauer, dass es so kommen musste! In diesem Herbst hätte es vermieden werden können.
Die Welt wird ohne JOSQUIN 500 nicht untergehen. Aber JOSQUIN 500 hätte sie ein kleines bisschen schöner gemacht.
Künstlerischer Leiter
Josquin des Préz – ohne ihn wäre die Musikgeschichte anders verlaufen. Unzählige Meister späterer Epochen hat er mit seiner Musik beeinflusst. Er war, das wusste schon Martin Luther, der „noten meister“: unvergleichlich in Kontrapunkt und Kanonkunst, überschäumend in seinen Einfällen und immer sinnlich und ausdrucksstark.
Sein Geburtsjahr ist heute nicht bekannt – nur sein Todestag: er starb am 27. August 1521. 500 Jahre später wollen wir ihn mit einem Festwochenende ehren. In Leipzig, dem Ort, an dem von 2004-2017 die weltweit erste Gesamtaufführung seines Werkes stattfand, präsentieren regionale Künstler mit überregionalem Ruf ein faszinierendes Festprogramm.
„500 Jahre Josquin“ wird nicht nur Alte-Musik-Liebhaber begeistern. Denn Josquin des Préz – ein halbes Jahrtausend alt – ist kein Komponist nur für Spezialisten und Liebhaber. Große Kunst überdauert 500 Jahre und begeistert auch heute!
Präludium
Fr, 27.08.2021, 19:00 Uhr, Thomaskirche Leipzig
Konzert am 500. Todestag
Kammerchor Josquin des Préz
Ludwig Böhme
Abgesagt: Festtage – Auftakt
Do, 25.11.2021, 20:00 Uhr, Gewandhaus zu Leipzig, Mendelssohnsaal
Mitten im Leben 1521 – Sanftes und Derbes
Calmus Ensemble, lautten compagney Berlin
Abgesagt: Festkonzert
Sa, 27.11.2021, 19:30 Uhr, Thomaskirche Leipzig
Marienvesper+
Solisten
Kammerchor Josquin des Préz
Leipziger Barockorchester
Leitung: Ludwig Böhme
Abgesagt: Festtage – Ausklang
Sa, 27.11.2021, ab 22:00 Uhr, Morrison’s Irish Pub Leipzig
Lounge 1521: Alte-Musik-Impro-Session – Kreativität und virtuose Höchstleistungen
Ensemble all’improvviso
Abgesagt: Workshop
Fr, 26.11.2021, 14-18 Uhr, Universität Leipzig/Paulinum
Josquin zum Klingen bringen
Perspektiven der Aufführungspraxis um 1500
Abgesagt: Festtage – Kanonkunst
So, 28.11.2021, 11:00 Uhr, Paulinum, Leipzig
Universitätsgottesdienst
Kanonkunst: Josquin aus historischen Quellen
Chor von Studierenden der Uni Leipzig
Prof. Dr. Wolfgang Fuhrmann